AMB Kolumne "Überall ist Wunderland"

By: Anna Magdalena Bössen
  • Summary

  • "Überall ist Wunderland." Humorvoll, persönlich, philosophisch – und immer ein rezitiertes Gedicht als klassisches Dessert.  Dichte Kolumne zu Zeitfragen zum Lesen und Hören.
    info@annamagdalenaboessen.de
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Episodes
  • Interview mit Isabel Bogdan
    Sep 26 2022

    Die Bestsellerautorin Isabel Bogdan ist inzwischen weit mehr als eine Diskokugel in der Hamburger Literaturszene. Sie glänzt allumfassend. Auch bei der Beantwortung schwieriger Fragen, zum Beispiel wie Corona und Kunst zusammengehen. Muss ja. Aber es gibt Hoffnung und irgendwann Sekt, versprochen.

    Texte: Kurt Tucholsky Zweifel, Wilhelm Busch Auch er

    Autorinnen-Foto: ©Heike Blenk

    Diese Folge wurde unterstützt durch die Dorit & Alexander Otto Stiftung "Kultur hält zusammen".

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    40 mins
  • Gedicht zur Folge: Kein Krieg, oder: Auf dem Kipferl der Lust 
    Nov 25 2021


    Überall ist Wunderland, Folge 12

    Mir reicht’s. Jetzt lasse ich die Glöckchen klingeln.
    Kinder, Corona, Klimakrise – das kann doch nicht mein Leben sein!
    Ich starte umgehend das Weihnachts-Hardcoreprogramm: Bienenwachskerzen, Oratorium und Zucker. Dominosteine, Marzipankugeln, Vanillekipferl – ich bin zu Großem in der Lage. Wenn nichts Süßes mehr geht: Riesengarnelen in Knoblauchsahne küsst Brot von glücklichem Sauerteig.

    Diese Trennkost halte ich mindestens eine Woche durch. Zum Abschluss wird eine Rakete zum Mond geschossen, mit den drei Königen drauf. Dann beginnt schon die Fastenzeit, radikaler Entzug und täglich vier Runden um die Alster, herrlich! Ich schätze am 24.12. bin ich schon beim Osterfest angekommen. Narzissen, Eier, Spazieren mit Goethe. Pfingsten fällt dieses Jahr auf Neujahr, endlich wird das mal gebührend befeuert, äh gefeiert! Und dann habe ich auch schon Geburtstag und wünsche mir einen liebevoll gebastelten Adventskalender von der ganzen Familie. Und Weihnachten beginnt Ende Januar von vorn.

    Ich feiere den Exzess. Alternative Ideen, wie man durch diese Zeit kommt, habe ich ausprobiert, aber die maßvolle Mitte macht für mich einfach keinen Sinn mehr.

    Aktives Zuhören: Masochismus.
    Autogenes Training: Innen sieht’s aus wie Draußen.
    Achtsamkeit: „Süß“, knirschen die Wölfe und zerfetzen das Lämmlein.

    Und die Strategien der Mitmenschen? Manche rüsten auf und drohen wutschnaubend in Richtung der Gegner – wo auch immer sie diese vermuten. Viele wollen alles richtig machen und wühlen sich verunsichert durch das wandelbare Regelwerk. Und nicht wenige kämpfen intensiv ums Überleben. Wir haben keinen Krieg, aber es klingt so.

    Während ich das hier schreibe, stehe ich im Bücherregal. Der Laptop ist eingeklemmt zwischen „Männerabend“ und „Unterleuten“. Auf meinem Rücken schläft Kind 2 in der Trage – und sollte ich es wagen eine andere Position als die Stehende einzunehmen, ist es aus mit MeTime und diesem Text.
    Es geht mir gut. Ich liebe, und wie!
    Mir fehlt eigentlich nur eines: Mehr Licht.

    „Damit bin ich doch in guter Gesellschaft“, säusele ich beruhigend und zünde zu Weihnachtsklängen die Tannenbaumkerzen an. „Goethe ging es bis zuletzt genauso.“ Dann greife ich verträumt in den Putzeimer mit Vanillekipferln. Schon fast leer, morgen früh backe ich neue. Kind 2 rülpst zärtlich in meinen Nacken. Alles wird gut.    

    Ich wälze nicht schwere Probleme
    und spreche nicht über die Zeit.
    Ich weiß nicht, wohin ich dann käme,
    ich weiß nur, ich käme nicht weit. 
    Heinz Erhardt

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    Less than 1 minute
  • Gedicht zur Folge: Rennt, oder: Friedhof der Küchentiere
    Sep 30 2021

    Überall ist Wunderland, Folge 11
     

    Rennt! Oder: Friedhof der Küchentiere

     

    Wir haben Motten. Sie kriechen wurmartig die Decke entlang, versammeln sich zum Gelage in den Schränken, kopulieren auf unseren Türrahmen und machen uns madig. Stimmt nicht, madig gilt dem Kalauer, in Wahrheit machen sie uns völlig verrückt. Wir springen hektisch hoch beim Essen, schlagen verzweifelt um uns und brüllen Urlaute, wenn wir wieder eines der Tiere mit bloßen Händen erschlagen haben. Mit Fortschreiten der Plage werden wir aggressiver, die Klatscher bersten wie Schüsse durch die Luft und manchmal erwische ich mich, wie ich ein totes Tier mit dem Fuß zu Staub zermalme.
    Die Motten wehren sich durch Masse. Sie werden größer und einfach immer mehr. Sie verstecken ihre Eier in den Löchern und Ritzen unserer jahrzehntealten Mietwohnungsküche und übernehmen durch Megapopulation den Raum. Chapeau, könnte man sagen, aber so neu ist das Prinzip nicht. Machen wir ja ähnlich. Was den Motten die Altbauküche, ist dem Menschen die Erde.
    Wir haben jetzt Feinde im Internet bestellt. Schlupfwespen. Die sind winzig, hungrig und fungieren als Spürhunde der Küchenschränke. Sie finden die Eier, nisten sich ein und die Mottenbabys haben keine Chance auf Leben. Es scheint zu funktionieren, wir können wieder in Ruhe essen und der Pfeifton in meinem Ohr ist verstummt. Wenn die Schlupfwespen ihre Arbeit gemacht haben, sind alle Motteneier weg und sie verhungern. Einmal die Schränke durchwischen – und alle Spuren des Lebens und Sterbens sind beseitigt.

    Wer oder was ist eigentlich der natürliche Feind der menschlichen Megapopulation?
    Es gibt keine riesige Hand, die uns bei der Paarung erschlägt, dass hätten wir mitbekommen. Auch unsere Eier werden nicht systematisch befallen.
    „Der größte Feind des Menschen ist der Mensch selbst“, sagt ein Sprichwort. Wir sind so schlau, dass wir uns selbst schlupfwespen können. Krankheiten raffen uns nieder, auch solche, die wir selbst verschuldet haben. Aber mehr geht immer: unter anderem indem wir äußerst effizient und rasend schnell unsere Lebensgrundlage zerstören.
    Wir brauchen wieder natürliche Feinde! 

    Verstecken wir Skorpione in Schuhgeschäften, setzten Krokodile in Kanäle, und holen Grizzlybären in unsere Grünanlagen. Was Paintball für die Projektgruppe ist, sind Raubtiere für unser Rudel. In kürzester Zeit werden wir ein super Team, saugen Gift aus fremden Beinen, zerren Kinder aus tödlichen Klauen, und sind allgemein viel zu beschäftigt, um dem Planeten endgültig den Garaus zu machen.
    Auch wenn die Idee erst einmal unkonventionell klingt: Medien lieben Fressen und gefressen werden, die Politik wird heilfroh sein, wenn sie die Windräder los ist und der Rest von uns: rennt.

    Zu anstrengend? Dann warten wir gemütlich auf die Hand, die uns beim Liebesspiel erschlägt.
    Alles wahrscheinlicher, als Tempo 130 auf der Autobahn.

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    1 min

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