„Die Selbständigen waren eigentlich immer die, die so ein bisschen die Außenseiter waren. Die passten nicht ins Regime. Wir waren also nicht so erwünscht. Man hat die Selbständigen immer so abgegrenzt als Kapitalisten und das war natürlich in dem System der DDR, wo der Kommunismus aufgebaut werden sollte, keine Option. Und da sind wir doch ganz schön schikaniert worden.“ Weder Susanne (8 Jahre) noch Sascha (14 Jahre) wussten, was ihre Eltern mit ihnen vorhatten. Und auch Karola und Wolfgang entschieden das sehr kurzfristig, das Land zu verlassen. Auch wenn sie sich schon seit einigen Jahren mit dem Gedanken trugen. Als wirtschaftlich selbstständige Familie, dazu noch mit Westverwandtschaft, war Familie Lange ständig auf dem Radar des Ministeriums für Staatssicherheit. Die Entscheidung für die Flucht fiel nach einer Hausdurchsuchung mit anschließender Verhaftung der Eltern. Wonach die Stasi suchte, und was die Gründe für ihre Verhaftung waren, das erfahrt ihr in Folge 5 unserer spannenden Podcast-Reihe „Republikflucht“. Nach dem Niedergang des Faschismus im Jahr 1945 gründeten sich im Jahr 1949 aus den Besatzungszonen der vier Siegermächte zwei deutsche Staaten: die Bundesrepublik Deutschland als eine parlamentarischen Demokratie und die Deutsche Demokratische Republik als eine sozialistische Diktatur unter Führung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). Die Trennung Deutschlands war für alle hier lebenden Menschen eine besonders schwierige Situation. Die Sicherungsmaßnahmen an der Demarkationslinie zwischen der Bundesrepublik und der DDR wurden bereits ab 1952 immer weiter verschärft und um eine Sperrzone, einen Kontrollstreifen und ein 5 km breites Sperrgebiet erweitert. Nach dem Bau der Berliner Mauer 1961 wurde die gesamte innerdeutsche Grenze mit elektrischen Stacheldrahtzäunen, Wachtürmen und Selbstschussanlagen gesichert und nahezu unüberwindbar gemacht. Die Grenzsoldaten der DDR haben den Befehl, auf Flüchtende zu schießen. Weit über 100 000 Bürger der DDR versuchten, zwischen 1961 und 1988 über die innerdeutsche Grenze oder über die Berliner Mauer zu fliehen. Mehr als 600 von ihnen wurden zwischen 1961 und 1989 von Grenzsoldaten der DDR erschossen oder starben bei Fluchtversuchen. Zwischen 1961 und 1989 gab es deshalb geschätzte 4500 Versuche, das Land über die Grenzen von Drittländern wie Ungarn, Rumänien und Bulgarien zu verlassen, man hoffte, dass die Grenzanlagen dort nicht so gut gefestigt waren. Dass auch an den Außengrenzen des Ostblocks sehr gut gesicherte Grenzen vorhanden waren und ein besonders strenger Schießbefehl umgesetzt wurde, wussten die wenigsten. Karola, Susanne, Sascha und Wolfgang Lange flohen im Herbst 1986 in zwei Gruppen im Kofferraum eines Diplomatenfahrzeuges der Alliierten über deren einzigen Grenzübergang. Das war besonders riskant für Wolfgang und Sascha, die noch vier Tage länger – überwacht von der Staatssicherheit, in der DDR blieben. Sie waren eine von 32 erfolgreichen Schleusungen im Jahr 196 und ihre Flucht kostete die Familie zusammen 100.000 West-Mark.